Zukunft für benachteiligte Kinder und Jugendliche

«Ich hatte einfach nur Angst vor dem grossen Loch vor mir...»

Ich kann Altes ablegen und auch besser mit Aggressionen umgehen, dafür bin ich sehr dankbar.

Euer Paul

Paul ist seit 2009 Mitarbeiter von GHU Lira

Als kleines Kind lebte ich bei meinem Vater, die Mutter kannte ich nicht. Ich war noch sehr jung, als mein Vater starb. Ich erinnere mich, dass man mich mit einer Schubkarre zum Begräbmis gefahren hat, jedoch sagte mir niemand, dass mein Vater gestorben war. Ich hatte einfach nur Angst vor dem grossen Loch vor mir und jetzt legten sie auch noch meinen Vater da rein.

In der Folge wohnte ich bei meinem Onkel, der sehr streng zu mir war. Durch Vermittlung der Kirche kam ich ins God helps Uganda Kinderheim Luwafu in Kampala. Obwohl ich nicht so recht wusste, was mich erwarten würde, war ich froh, nicht mehr weiter bei meinem Onkel wohnen zu müssen.

Ich war kein einfaches Kind, eigensinnig und starrköpfig. Ich wollte mich nicht unterordnen und so gab es auch im Heim häufig Konflikte. Schliesslich musste ich das Heim wegen meines Verhaltens wieder verlassen. Wohnen konnte ich bei meinem älteren Bruder und ein Lehrer übernahm mein Schulgeld, aber für das Schulmaterial musste ich selber aufkommen. Von Montag bis Donnerstag besuchte ich die Schule, am Freitag und Samstag stellte ich Ziegel her, deren Verkauf etwas Verdienst einbrachte.

Als mein Bruder realisierte, dass mit Ziegelsteinen Geld zu verdienen war, verbot er mir den Schulbesuch und ich musste für ihn Ziegelsteine produzieren. Die Abmachung, wonach der Erlös unter uns beiden aufgeteilt würde, hielt der Bruder leider nicht ein. Deshalb verliess ich ihn und fand in einem Lagerschuppen Unterschlupf.

Damit ich weiter zur Schule konnte, arbeitete ich früh morgens, abends und an den Wochenenden. Trotz des harten Lebens und dem Wenigen, das ich besass, fühlte ich mich irgendwie wohl dabei. Auch trat ich wieder mit GHU in Kontakt und wir konnten einige Dinge aus der Vergangenheit bereinigen.

Ich erhielt auch das Angebot, eine Ausbildung zu machen. Zuerst wollte ich nicht aus Angst, meine Selbstbestimmung zu verlieren, aber schliesslich stimmte ich zu und entschied mich für eine Berufslehre als Maurer in einem Ausbildungszentrum, wo auch noch Elektriker, Schreiner und Sanitärinstalla- teure ausgebildet wurden. Morgens lernte ich mit den Maurern und mittags besuchte ich einen der anderen Kurse, da ich möglichst viel lernen wollte.

Gegen Ende der Lehre erfuhr die Schulleitung, dass ich mehrere Kurse besuchte und ich wurde ins Büro des Direktors gerufen. Dieser tadelte mich für mein Vorgehen, da ich nur für den Maurer-Lehrgang die Ausbildungsgebühren bezahlt hätte. Am Schluss verabschiedete er sich mit den Worten: «Cleveres Bürschchen, ich hätte das genauso gemacht!»

Kurz vor dem Ausbildungsende hatte ich einen heftigen Streit mit einem Kollegen, der mich immer wieder verletzte mit Sprüchen wie: «Du bist ja nur ein Waisenkind und brauchst Hilfe von einer Organisation, weil du dir selber nicht helfen kannst.»
Irgendwann wurde ich so wütend und schlug zu und verletzte ihn. Dieses Vergehen hatte Konsequenzen und ich wurde von der Ausbildung ausgeschlossen, ohne die Abschlussprüfung absolviert zu haben.

Glücklicherweise durfte ich diese Prüfung nach einem Gespräch zwischen mir, der Zentrumsleitung und der Leitung von God helps Uganda im Jahre 2009 doch noch ablegen.

Im gleichen Jahr erhielt ich im GHU Kinderheim in Lira eine Arbeitsstelle. Die Zusammenarbeit verlief zwar nicht immer reibungslos, aber durch Gespräche, Korrekturen und gemeinsame Bibel- und Gebetszeiten wurde und wird mein Charakter geformt. Ich kann Altes ablegen und auch besser mit Aggressionen umgehen. Dafür bin ich sehr dankbar, auch weil ich bald heiraten möchte und es mein Wunsch ist, dass wir eine tragfähige und gute Ehe leben können, auch wenn es einmal Schwierigkeiten gibt.